Wirtschaftsminister Luis de Guindos. | ANDREA COMAS

Der „notwendige Fortschritt stockt", die Ziele werden „deutlich verfehlt": In einer gemeinsamen Erklärung prangern EU und EZB die ausufernde Neuverschuldung Spaniens an. Hinter den diplomatischen Floskeln steckt viel verhaltene Wut. Denn Spanien hat den Bogen klar überspannt: Seit Ausbruch der Krise versprach die Regierung in Madrid Jahr für Jahr, ihren Haushalt in Ordnung zu bringen – und erfüllte die vereinbarten Ziele kein einziges Mal.

Im Wahljahr 2015 spitzte sich die Situation zu: Die Regierung Rajoy stoppte alle Reformen, ließ bei den Ausgaben die Zügel locker und hielt doch bis zuletzt störrisch an Prognosen fest, an die niemand mehr glaubte. Heraus kamen fünf Prozent Defizit – trotz historisch niedriger Zinsen und einer der höchsten Wachstumsraten in Europa. Jetzt taktiert Wirtschaftsminister Luis de Guindos anders: Er lässt schon jetzt wissen, dass sein Land die Maastricht-Grenze von drei Prozent minus unmöglich einhalten könne – die „eingetrübte globale Konjunktur" sei schuld. Die Kontrolleure in Brüssel ballen die Fäuste in den Taschen. Es bleibt ihnen kaum anderes übrig, als die Frist für die Zielerfüllung um ein oder gar zwei Jahre zu strecken. Noch nie musste ein Staat wirklich Strafe zahlen (0,2 Prozent des BIPs wären möglich). Hier kommt das politische Patt hinzu: Von einer Regierung auf Abruf lässt sich kein Richtungswechsel fordern. So kratzt Spanien weiter an 100 Prozent Staatsverschuldung – und könnte die psychologisch gefährliche Schwelle auch überschreiten.

Das mag verwundern. Gilt Spanien nicht als Modell dafür, wie sich ein Krisenstaat zu einem Treiber des Wachstums mausern kann? Die Wirtschaft brach nach dem Platzen der Immobilienblase völlig ein. Die kräftige Erholung ist vor allem den Unternehmen zu verdanken, die durch sinkende Lohnstückkosten wieder an Wettbewerbsfähigkeit zurückerobert haben.

Die Politik sekundierte anfangs, indem sie durch Einschnitte und höhere Mehrwertsteuer das Budget zumindest nicht aus dem Ruder laufen ließ. Und sie setzte mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt durch. Das sorgte für ein Drittel der neuen Jobs und konnte den krisenbedingten weiteren Anstieg der befristeten Dienstverträge zumindest stoppen. Doch es bleibt dabei: Nirgends in der EU sind anteilig mehr Menschen nur befristet beschäftigt. Die Arbeitslosigkeit geht konstant zurück, bleibt aber mit 20 Prozent extrem hoch.